Ein Abend bei „Mister IF“
Peter Grönlund lacht, seine blauen Augen strahlen: „Mister Seacamper“ wurde ich auf den Bootsmessen in Düsseldorf genannt, damals, als ich noch Seacamper-Boote gebaut habe. Deswegen habe ich den Namen einfach beibehalten, als ich 2008 mit dem IF-Geschäft begonnen habe.
„Mister Seacamper“? Er könnte auch gut „Mister IF“ heißen, denke ich, aber eins nach dem anderen. Wir sitzen bei Peter in der Kajüte im Licht einer Petroleumleuchte und wollen mehr von ihm und seinen IF-Aktivitäten wissen. Hans, der Reviervertreter Ostsee, ist per Video zugeschaltet, Marina, die Obfrau, und ich, sind vor Ort, als Peter uns auf seine IF-Reise mitnimmt. Es ist gemütlich und spannend zugleich.
Alles beginnt mit der Leidenschaft für dieses sportliche und anmutige Boot, damals in Dänemark, in Rungsted, nördlich von Kopenhagen. Peter’s Segelverein kauft 1971 das erste IF-Boot und beginnt bald darauf, auf diesem Boots-Typ zu schulen. Die Nachfrage explodiert. Jede Woche wird in 3 Schichten Segelunterricht gegeben. Von seinem 15. Lebensjahr bis zum Ende seines Studiums gibt Peter Segelstunden auf IF-Booten, darunter auf dem IF mit dem Segelzeichen D 110. Im Sommer dürfen die Jugendlichen die Vereinsboote ausleihen. Es geht nach Schweden, nach Norwegen, das Kattegatt herauf und herunter. Peter lacht verschmitzt: Natürlich ohne Motor. Den Motorschacht in den IF haben wir als Toilette benutzt.
Das IF mit der Segelnummer D 110 ist ihm besonders ans Herz gewachsen, es ist „sein“ IF-Boot. Als ihn der Beruf viele Jahre später nach Berlin verschlägt, entschließt er sich, das geliebte D 110 seinem alten Club abzukaufen und an die Unterhavel zu holen. Vom ersten Moment an fühlt er sich wieder zu Hause, aber es ist viel zu tun, denn D 110 ist in die Jahre gekommen. Osmose-Sanierung, neue Polster, neues Freibord, neue Innenverkleidung, neue Elektrik, neues Rigg, die Arbeit hört nicht auf. Jede Ecke, jeden Winkel kundschaftet er aus und ertüchtigt D 110 von Grund auf. Dabei entsteht die Idee, diese Arbeiten auch für den Refit anderer F-Boote anzubieten, und dies tut Peter bis heute, und zwar entsprechend den strengen Klassenregelungen, damit man mit einem Refit auch an Regatten teilnehmen kann.
Es gibt Marieholm-IF-Boote, die nicht mehr zu retten sind, berichtet er, Boote, die schlecht erhalten sind, von Osmose aufgefressen. Aber bei rechtzeitiger Intervention könne ein Schiff weitere 50 Jahre leben. Eine schöne Botschaft, finden wir. D 110 war nach dem Refit auch regelmäßig wieder auf der Ostsee, im alt angestammten Revier, es hat sich dort vermutlich genauso zu Hause gefühlt wie der glückliche Eigner und seine Frau, die während des ersten Törns kurz und bündig kommentierte: Dieses Boot hat doch alles, was man braucht.
Gleichwohl: Es gehen viele, viele Arbeitsstunden in ein umfassendes Refit ein. Ein vollständiges Refit frisst genau so viel, manchmal sogar mehr Arbeitsstunden als ein Neubau. So keimt bei Peter die Idee, IF-Boote neu zu bauen.
Ein Klassiker in Neuauflage, so heißt es auf seiner Website zu den Neubauten. Bis dahin waren aber allerhand Widerstände zu überwinden. Peter nimmt Kontakt mit dem Sohn von Tord Sundėn, dem Konstrukteur und Zeichner des IF, auf. Dieser ist begeistert von der Idee, das Erfolgsschiff seines Vaters wieder neu zu bauen. Peter erwirbt die Exklusivrechte und ist seitdem weltweit der Einzige, der diesen Klassiker wieder bauen darf.
Dann schließt sich eine lange Suche nach den Formen des Marieholm-IF an, bis die erschütternde Nachricht eintrifft: Ein ehemaliger Mitarbeiter der Marieholm-Werft erzählt, wie die alten Formen verbrannt wurden.
Welch ein Schlag für das Neubauprojekt! Nun müssen neue Formen finanziert und gebaut werden, sie müssen Kontroll-Schablonen entsprechen, mit denen die schwedische Klassenvereinigung IF-Rümpfe vermisst, die auch im Übrigen peinlich genau auf Klassenkonformität kontrolliert. Alles beim Neubau wird nach alten Zeichnungen und alten Unterlagen vollzogen. Einfach ist es nur dort, wo sich die Frage der Klassenkonformität nicht stellt, nämlich bei den alten Eisenkielen; die sind bereits von dem schwedischen IF-Verband zertifiziert und werden aus alten IF-Booten herausgesägt und in die Neubau-Schalen eingesenkt. So steckt in jedem neuen IF auch ein Stück altes IF.
2018 ist es so weit, der erste Neubau ist fertig, 51 Jahre, nachdem Tord Sundén das allererste IF-Boot vor verschneiten Bergen Probe fuhr.
Die Erfahrungen zahlreicher IF-Boot-Segler sind in diesen Neubau eingeflossen, jeder durfte sich mit Vorschlägen beteiligen, was beim Neubau besser gemacht werden sollte. Immer wieder wurden bekannte Problem- und Themenfelder genannt wie die Mastbrücke aus irgendwann vielleicht faulendem Holz, die manchmal undichte Rumpf-Deck-Verbindung, das Wasser im Ruderblatt, der für den Rücken ungemütliche Süll und bei Am-Wind-Kursen das nicht abfließende Wasser in der Plicht, der fehlende Ankerkasten am Bug etc. Die Neubau-Serie gibt in allen diesen Punkten eine Antwort, erläutert Peter, und zwar mit Einverständnis der schwedischen Klassenvereinigung.
Inzwischen sind neue IF-Boote in den Niederlanden, am Baldeneysee, in Travemünde und auf der Unterhavel in Berlin beheimatet. Die Preise für neue Boote stabilisieren dabei die Preise für gebrauchte Marieholm-Boote, bestätigt Peter. So hat jeder IF-Boot-Eigner etwas vom Neubauprogramm, auch wenn Peter darauf hofft,irgendwann ein neues Boot sein Eigen zu nennen.
Die bestehenden Boote kann man mit allerlei Ersatzteilen und Zubehör aus dem IF-Boot-Shop von Peter ertüchtigen bzw. ausstatten, von Beschlägen, Winschen, bruchsicheren Unterwantpüttings bis hin zu diversen Ausrüstungsgegenständen, einem neuen Mast oder - für das IF klassenkonform geschneiderten – neuen Segeln von Hyde. Sie machen auch 50-jährige IFs wieder schnell. Weltweit ist es der einzige Shop dieser Art, der auch ins europäische Ausland, in die USA oder Kanada verkauft.
Die Idee besteht darin, qualitativ hochwertige, selbst ausprobierte, verlässliche Teile zu vertreiben, erklärt Peter, und damit auf Nachfrage zu reagieren, die aus dem Kreis der IF-Boot-Segler kommt. Der Kreis der Produkte ist theoretisch nicht begrenzt: So wird neuerdings häufiger nach neuen Vorluken, gegebenenfalls mit Fenster, oder Backskistendeckeln gefragt. Also die Produktpalette entsprechend erweitern? Es ist ein schwieriger Balance-Akt zwischen der Vorfinanzierung von Teilen und einer schwer einschätzbaren Nachfrage häufig über mehrere Jahre. Wesentlich ist auch der Vertrieb des konstruktiv komplett neu konzipierten Ruderblatts, das zwar 5 Kilogramm schwerer ist, aber die Schwächen der alten Ruder vermeidet. Es hält, versichert Peter.
Er lächelt entspannt, er lebt ein Leben, das sich maßgeblich um das IF-Boot, seinen Erhalt und seine Weiterentwicklung dreht, und natürlich auch das Segeln mit dem IF, sei es früher auf langen Ostseetörns oder auch jetzt noch bei der höchst erfolgreichen Teilnahme an Regatten, wenn die knappe Zeit dies zulässt. Nebenbei hat er noch 12% der Mitglieder unserer IF-Boot Klassenvereinigung geworben.
Endorphine, so hat der Käufer eines der ersten Neubau-IFs Peter erläutert,verlängern das Leben und derartige Endorphine würden ausgeschüttet, wenn man ein IF-Boot segelt. Der Herr ist Mediziner, erforscht derartige Effekte und muss es wissen. Peter lacht voller Tatkraft, als er dies erzählt.
Wir klettern von Bord und gehen an einer Reihe von IF-Booten vorbei, die vor sich hin glucksend am Steg liegen. Dieses IF, es ist ein ausnehmend schönes Boot, und wir freuen uns, dass es dazu „Mister IF“ gibt, der so wichtig für Erhalt und Zukunft dieser Klasse ist. Davon sind wir nach diesem Abend mehr denn je überzeugt.
Berlin im Mai 2025
Andreas Metzenthin
Reviervertreter Unterhavel