Hans König, der Reviervertreter Ostsee, hatte zum alljährlichen Treffen der IF-Boote eingeladen, dieses Mal nach Fleckeby an der Schlei. Es wurde ein grandioses Treffen, ein voller Erfolg. Wer es nicht glaubt, möge die folgenden Zeilen lesen. Der Verfasser der Zeilen nahm als Gast auf der „Muffe“ teil, also dem IF-Boot von Hans.
Solch ein Treffen besteht aus gemeinsamem Klönen und Grillen und einer Wettfahrt. Aber an der Ostsee besteht es zusätzlich aus einem gehörigen, wenn nicht überwiegenden Anteil Fahrtensegeln. Denn die meisten brauchen ein bis zwei Tage mit Zwischenübernachtung, um überhaupt erst auf eigenem Kiel zum Ort des Treffens zu gelangen. Und danach muss man entsprechend lange zurückfahren. Von Gelting Mole nach Fleckeby bedeutet dies für Hin- und Rückreise mindestens 80, von Kiel 90, von Flensburg 110 sm, von Fehmarn, Lübecker Bucht und Rügen würde man hin und zurück sogar auf 140, 180 bzw. 400 sm kommen, und zwar auf kürzestem Weg ohne Berücksichtigung längerer Strecken auf der Kreuz. Ostsee-Treffen verlangen Einsatz.
So wird die „Muffe“ für 5-6 Tage verproviantiert und vorbereitet, u.a. mit entsprechenden Einheiten Nudelsalat, Fleischbällchen, Schokolade und Benzin. Derart gerüstet geht es über die Ostsee, hinein in die Schlei und mit einer Zwischenübernachtung bis nach Fleckeby, also bis fast an das Ende der 42 km langen Schlei. Zwischendurch warnt Delta Papa 07 Seefunk, von unten aus der Kajüte deutlich zu vernehmen, all ships vor bislang nicht vorhergesagtem Gewitter und Sturmböen. Doch am Ende halten sich Blitze und Donner netterweise von „Muffe“ entfernt.
Die „Lotte“, von der noch häufiger die Rede sein wird, trifft es härter. Sie gerät in ein heftiges Gewitter und kehrt sicherheitshalber um. Mitten in der Nacht, um 02:00 Uhr, folgt dann ein erneuter Versuch, und nun gelingt die erste Etappe, bis das Boot um 09:00 Schleimünde erreicht.
Auch IF-Boot „Linda“ hat zu kämpfen. Mitten in der Schlei-Ansteuerung versagt der Motor. „Linda“ dreht vor dem Wind zurück auf See, hat aber Glück, weil sich noch ein hilfsbereiter Skipper findet, der das Boot bis nach Maasholm in der Nähe der Schleimündung schleppt. Mit hektischem Einsatz wird ein Ersatzteil besorgt, der Schaden repariert und weiter geht es nach Fleckeby.
Auch dort ist das Wetter grau. Strammer Wind mit Böen bis zu 7 Bft treibt niedrig hängende Wolken vor sich her. Die Schlei ist hier ordentlich breit, entsprechend aufgewühlt und von Schaumkronen gezeichnet. Immerhin hatte Delta Papa 07, vernehmlich für alle angeschlossenen Seefunkstellen in Nord- und Ostsee, unserem IF-Boot-Treffen alles Gute gewünscht - trotz des Wetters.
So lässt sich kein IF-Boot abschrecken, alle, sie alle kommen. Zäh, zuverlässig, unverzagt, ein IF-Boot nach dem anderen biegt in die „Große Breite“ ein, ein überwältigendes Gefühl! Zunächst nur als kleiner Punkt zu sehen, dann näherkommend und jedes Mal der Ruf: „Ja, ein IF!“ Wer segelt auch sonst bei solch einem Wetter?
Am Schluss liegen 15 IF und M 26 im Hafen und 33 Teilnehmer freuen sich über die große Gastfreundschaft des Wassersportvereins Fleckeby.
Die Begrüßung ist herzlich, meist hat man sich viele Monate nicht gesehen. Man freut sich über das Ankommen und berichtet einander von der teils mühsamen Anfahrt. Der segelnde Spitz von „Akka“ ist wieder dabei und schaut dem Treiben mit seemännisch tiefer Gelassenheit zu. Kalle und Mira von der „Lotte“ sind seit dem letzten IF-Boot-Treffen deutlich gewachsen. Stolz tragen sie in diesem Jahr aufblasbare Kinder-Westen zur Schau und finden schnell heraus, dass es auf der „Muffe“ Schokolade gibt. Voller Konzentration wickelt der kleine Kalle „Muffes“ Vorleine um den Nirosta-Poller auf dem Steg. Jeder Zentimeter Leine wird genutzt, bis der Poller nicht mehr zu sehen ist. Auch auf „Frieda“ und „Linda“ freut man sich, weil Sohn bzw. Tochter mitsegeln, allerdings handelt es sich hier um längst erwachsenen Segel-Nachwuchs.
Am nächsten Morgen, es ist Samstag, der 05. Juli, wird die Regatta vorbereitet: Ein Dreieckskurs, der in zwei Runden gesegelt werden soll. Es pfeift wieder ordentlich, Regenwolken hängen tief, kein anderes Boot ist draußen zu sehen.
Doch wieder lassen sich die 15 Boote nicht abschrecken. Einige haben gerefft, andere die kleine Fock gesetzt, wieder andere fahren mit Genua und vollem Groß. Kanal 69 ist eingeschaltet für den Fall von Problemen. Es wird eine wilde Jagd über den großen See, 15 sm lang.
Hans steht Pfeife paffend im Niedergang und navigiert die „Muffe“ am Plotter zur 1. Tonne, sein Sohn Björn ist am Morgen zu uns gestoßen und hat die Pinne übernommen. Er strahlt vor guter Laune. Eng und enger wird es vor der Tonne, weniger als einen Meter beträgt der Abstand zu einem IF-Boot an Steuer- und einem weiteren an Backbord, alle drei Boote rauschen in voller Fahrt voran, Bugwellengischt in Höhe der Kajütfenster, niemand verschenkt auch nur einen Zentimeter. Wie soll das bloß beim Runden der Tonne werden? Doch dann geschieht es: Zwei, drei freundliche Rufe und man hat sich darüber geeinigt, in welcher Reihenfolge die Boote die Tonne runden. Sicherheit und Vernunft gehen vor.
Nach dieser Tonne spreizt sich das Feld. Es bildet sich eine Spitzengruppe von drei Booten heraus, und „Muffe“ verfolgt sie. Am Morgen hatte ich vorgeschlagen, umfangreichen Fahrtensegler-Ballast vom Heck in den Bug zu verlagern. Doch mit derlei Mätzchen konnte ich nicht überzeugen. Hier treten schließlich Fahrtenboote gegeneinander an. Aber jetzt täte uns vielleicht etwas mehr Gewicht am Bug ganz gut. Ich hangele mich nach vorn und überlasse die Plicht einem trauten Gespann von Vater und Sohn, die das Beieinander sichtbar genießen. Der Bug stampft durch die Wellen. Es ist nass und ich habe etwas Mühe, mich zu positionieren und festzuhalten. Das Licht an meiner Rettungsweste geht an. Aber die Gewichtsverlagerung lohnt sich, nun schiebt sich „Muffe“ Meter für Meter nach vorn, unsere Spannung wächst.
Auf der letzten Etappe passiert das Unerwartete: IF-Boot „Lotte“, die ganz vorne mitfährt, schert 90 Grad aus und läuft auf Grund. Die Mannschaft scheint wohlauf und bekommt das Boot wieder frei, aber die Segel bleiben unten, obwohl das Gros der Verfolger noch in weiter Ferne ist. „Lotte“ fährt unter Maschine weiter. Was nur, so die bange Frage, was nur ist mit „Lotte“ geschehen?
Wir erfahren es nach der Zieldurchfahrt. „Lottes“ Ruder ist gebrochen, kurz unter den Ruderkopfplatten innerhalb der obersten Ruderaufhängung; noch dazu hat sich auch der gesamte untere Teil des Ruders vom Boot gelöst und ist in der Schlei versunken. „Lottes“ Spiegel ist nackt, ohne Ruderanlage, sie kann nur noch per Außenborder gesteuert werden. Die gerettete Pinne und das bisschen Restruder, was an ihr hängt, gehen von Hand zu Hand, erschrocken und ratlos streichen viele Finger über die Bruchstelle. Und warum ist das restliche Ruder abgerissen? Wie gut, dass dieser Unfall nicht draußen auf hoher See geschehen ist.
Natürlich ist „Lotte“ der „Sieger der Herzen“ dieser Regatta und wird von Hans - unter lautem, allseits zustimmendem Beifall - entsprechend gekürt. Ob da in der Rangliste der Klassenvereinigung nicht noch eine extra Spalte angefügt werden kann?
Die anderen Boote, die es nicht geschafft haben, „Sieger der Herzen“ zu werden, müssen sich mit gewöhnlichen Platzierungen begnügen. Das schnellste Boot war IF-Boot „Snorre“, dann folgte die „Beste Ø“, beide aus dem hiesigen Verein, dann die „Muffe“. Manche meinten, ein Boot gesehen zu haben, das viele Sekunden vor dem Startsignal über die Startlinie lief. Aber das spielt keine Rolle. Ein möglicher Frühstart wird augenzwinkernd als ungeklärt behandelt und die Platzierung nicht geändert. Es geht um sportlichen Wettkampf, ja, aber es geht hier freundlich und friedfertig zu.
Während bei „Lotte“ telefoniert wird, um irgendwo in Deutschland ein Ersatzruder aufzutreiben, wird der Grill angeworfen, dann wird gegessen und geschwatzt und unter der Begleitung von 3 Gitarren gesungen. Kay von der „Santa Maria“ huldigt a capella der Hansestadt Hamburg: „Zuerst kommt immer noch Hamburg, danach kommt Hamburg noch mal, danach kommt lange Zeit gar nichts, was danach kommt, das ist uns egal“, und alle singen mit. Die Stimmung ist ausgelassen, und Hans König, der unbestrittene „König“ der Ostseeflotte, der auch dieses Treffen initiiert und organisiert hat, erhält immer wieder Applaus und Dankesworte. Parallel dazu kreist die Spendendose und füllt sich mit 185 EUR für die Klassenvereinigung. Langsam wird es dunkler, doch die Feuerschale ist noch lange nach Sonnenuntergang in Betrieb.
Am nächsten Morgen macht sich Erleichterung breit. „Lotte“ hat die Nacht gut überstanden, der Rumpf ist dicht geblieben. Und „Lotte“ macht ihrer Platzierung als „Sieger der Herzen“ alle Ehre: Luisa und Fabian haben die Suche nach einem Ersatzruder eingestellt und ihre Urlaubspläne geändert. Der innig ersehnte Ostseetörn mit den Kindern und zwei weiteren IFs wurde gestrichen, stattdessen werden die Großeltern die Kinder betreuen, denn Luisa und Fabian haben sich lächelnd zu „Pärchen-Urlaub auf der Werft“ verabredet, wo Fabian, der Bootsbauer, ein neues Ruderblatt laminieren wird.
Dann heißt es Abschied nehmen. Es gibt im Vorbeifahren noch den einen oder anderen Ruf, wann wir uns hoffentlich wieder sehen, und zurück geht es mit „Muffe“ die landschaftlich idyllische Schlei hinunter, zurück auf die Ostsee und nach Gelting Mole. Auf der Ostsee ist es einsam, weit und breit kein anderes Boot, nur zwei Schweinswale kreuzen schnaufend das Heck-Wasser, als ob sie uns einen Abschiedsgruß zusenden wollen.
Wie von Geisterhand gehen die Regengüsse rechts, links und hinter uns herunter und wir bleiben inmitten schwarzer Wetterfronten trocken. Offenbar gibt es einen Wettergott, der es gut mit IF-Booten meint. Ob ihm dieses Boot auch so gut gefällt? Es waren beeindruckende 5 Tage auf „Muffe“ und ein äußerst gelungenes Treffen: Einen herzlichen Dank an Hans, den König der IF-Bootflotte Ostsee!
Andreas Metzenthin
Reviervertreter Unterhavel, Berlin
Fotogallerien vom Treffen
Die Fotos wurden freundlicherweise von
Andreas Metzenthin, Fabian & Luisa Jacobs, Gerd Husemann, Gertje König, Hartwig Wrede, Jürgen Andorf, Kathrin Lüddecke, Kay Bommer, Peter Portella, Thomas Wrede, Wolfgang Patommel und Hans König
zur Verfügung gestellt.
Freitag
Begrüßung und Stermannbesprechung
Wettfahrt 1
Wettfahrt 2
Siegerehrung
Sammstagabend
Anreise nach Fleckeby auf der Schlei
Ruderverlust der "Lotte" was uns alle bewegte - aber sie schwimmt wieder mit einem neuen Ruder



